2000: Brief an die Leitung des MDR Überlegungen zu BIWAK Es besteht kein Zweifel
daran, daß die Sendung BIWAK von Seiten der
Fernseh-Leitung des Landesfunkhauses weniger mit Wohlwollen als mit Argwohn
beobachtet wird. Das ist, was die Sendung
betrifft, unverständlich und unverdient, und für mich persönlich ist es
frustrierend und entwürdigend. Ich behaupte, daß der Gefallensgrad der
Sendung nach wie vor ungebrochen hoch ist, daß die
Sendung BIWAK eine wichtige Säule ist
im Programm des LFH Sachsen. Alles ist in Ordnung und keinerlei Verschleiß
unterworfen, sowohl die journalistische Qualität als auch die Verbundenheit
mit der Region und die Akzeptanz bei der Zielgruppe. Ich behaupte das deshalb
mit so großer Überzeugung, weil mir täglich Beweise für die Beliebtheit der
Sendung widerfahren ( immer häufiger wird
beispielsweise die Formulierung „Kultsendung“ gebraucht, immer öfter BIWAK
als „Insel“ in der Fülle des Mittelmaßes bezeichnet). Wer BIWAK dennoch als eine
möglichst billig gemachte, deutlich schlechter werdende Sendung einordnet,
der irrt, aus welchen Gründen auch immer. Ich bin ausreichend
sensibel für Kritik. Gäbe es genug Einwendungen, würde ich postwendend mich
und die Sendung in Frage stellen. Diese Empfindlichkeit gegenüber Kritik ist
auch bei ausgeprägtem journalistischem
Selbstbewußtsein nichts Ungewöhnliches, vielleicht
sogar ein Schlüssel zum Erfolg. Aber es gibt sie nicht,
diese kritischen Stimmen - außer aus dem Kreis der LFH-Leitung. Was ist der Grund? Den
können nur die Kritiker selbst wissen, mit der Qualität der Sendung
jedenfalls kann es nichts zu tun haben. Vielleicht mit mir? Aber auch das wäre mir
unverständlich. Es gibt seit Jahren
zwischen dem LFH und mir ein Vertrauensverhältnis, zum beiderseitigen Gewinn. Ich bin dem LFH treu
ergeben gewesen, habe voll Überzeugung seine Aufgaben zu meinen eigenen
gemacht, der „Sächsische Bezug“ ist für mich nie Fessel, sondern immer
geradezu Bedürfnis gewesen. Für mich ist Lokaljournalismus weder Sprungbrett noch
Zeichen für Abstieg, sondern einer der befriedigendsten Bereiche
journalistischer Betätigung. Ich habe voll Überzeugung immer und überall die
öffentlich-rechtlichen Belange vertreten, und ich habe all meine Kraft, meine
Erfahrung und meine Begeisterungsfähigkeit in meine Arbeit gelegt. Natürlich hatte ich auch
meine Vorteile davon - ein freies Arbeiten zu guten Bedingungen, ich hatte
eine eigene Sendung, die ich nach freiem Ermessen gestalten konnte. Wir waren uns nichts
schuldig geblieben, ich nicht und das LFH auch nicht. Dieses ausgewogene
Verhältnis leidet jetzt aber zunehmend unter dem Argwohn, mit welchem meine
Arbeit beobachtet wird, und einem Reglementierungsbedürfnis, das meine
Möglichkeiten begrenzt und der Sendung mit Sicherheit nicht nützen wird. Liegt es am Geld? BIWAK verursacht
durchschnittliche Kosten, ist aber eine überdurchschnittlich gute Sendung. Wo
also liegt das Problem? Wer hat da aus welchen Gründen Bauchschmerzen? Ich produziere nicht
weniger Beiträge als vorher, aber auch nicht mehr. BIWAK ist keine
Nachrichtensendung, ich mache so oft
wie möglich Erlebnisfernsehen. Wenn wir in den schönsten
Landschaften Europas (Dolomiten beispielsweise) waren, wenn wir uns 13
Stunden lang bei glühender Hitze nach oben quälten, wenn ich mein Leben
riskiert hab, nur um bei den Dreharbeiten dicht dabei zu sein (das widerfuhr
mir sowohl am Großglockner als auch am Ortler), dann sind Herz und Kassetten
so voll, da erlaube ich mir auch schon mal nur 2 Beiträge in einer Sendung, umsomehr, als ich die Bedürfnisse der Bergfreunde gerade
nach solchen Beiträgen kenne. Biwak trägt, immer mit
sächsischem Bezug, mit den Amateurbeiträgen trotz lokal ausgerichtetem Budget
die große weite Welt in unser Programm. Sie bedeuten eine wirkliche
Innovation, etwas Neues, Zuschauerverbundenes, das es sonst kaum gibt im
Fernsehen. Ich bin auf diese Rubrik sehr stolz. Dennoch bleibe ich sogar
deutlich unter den genehmigten 6 Minuten pro Sendung, weil ich weiß, daß diese Beiträge ganz besonders Objekt des Argwohns
sind und es bei dieser Betrachtungsweise kaum möglich sein wird, ihre
exklusive Bedeutung zu vermitteln. Ich will nicht verhehlen, daß mich hier die Geringschätzung am meisten schmerzt. Mit W.D.Jacobi
verband mich, glaubte ich, eine ausgewogene, verständnisvolle Zusammenarbeit.
Das Vertrauen in meine Erfahrung hielte ihn davon ab, wegen jeder
Geschmacksfrage zu intervenieren. Nur bei wesentlichen Anlässen, und die hat
es zwar selten, aber gelegentlich doch
schon mal gegeben, äußerte er Einwände. Ein sehr angenehmes Verhältnis. Wenn allerdings Wodi die geplante neue Regelung zur Anzahl der Beiträge
überzeugt mit vertritt, dann wäre mir schon ein Hinweis, ein Gespräch aus
gegebenem Anlaß lieber gewesen als jetzt, aus dem
Schweigen heraus, diese Reglementierung, die meine Entscheidungsfreiheit
weiter beeinträchtigt. Es ist mir bisher nicht
gelungen und es wird mir vermutlich auch weiterhin nicht gelingen, den
erheblichen Wert eines Archivs bei der journalistischen Arbeit so überzeugend
darzustellen, daß die vertragliche Klausel
wenigstens gemildert wird. Ich laufe jetzt Gefahr, in
jeder Sendung stereotyp 3 Beiträge unterbringen zu müssen. Ich denke sorgenvoll
darüber nach, was die nächste Reglementierung betreffen könnte - die Länge
von Gesprächen etwa oder die Anzahl
von Musikmontagen usw. Ich hab natürlich
ausreichend Lebenserfahrung, um zu wissen, wie existenzgefährdend es ist, Leitungsvorstellungen zu
widersprechen. Eben diese Erfahrung lehrt
aber auch, daß durch schweigende Duldung weder das
Produkt noch der Produzent etwas gewinnt. Fakt ist - ehe ich ein
schlechteres BIWAK mache, mache ich lieber gar kein BIWAK
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