2000: Brief an die Leitung des MDR

 Dresden, den 05.02.2000

 

 

Überlegungen zu BIWAK

 

Es besteht kein Zweifel daran, daß die Sendung BIWAK von Seiten der Fernseh-Leitung des Landesfunkhauses weniger mit Wohlwollen als mit Argwohn beobachtet wird.

Das ist, was die Sendung betrifft, unverständlich und unverdient, und für mich persönlich ist es frustrierend und entwürdigend.

Ich behaupte, daß der Gefallensgrad der Sendung nach wie vor ungebrochen hoch ist, daß die Sendung BIWAK eine  wichtige Säule ist im Programm des LFH Sachsen. Alles ist in Ordnung und keinerlei Verschleiß unterworfen, sowohl die journalistische Qualität als auch die Verbundenheit mit der Region und die Akzeptanz bei der Zielgruppe.

Ich behaupte das deshalb mit so großer Überzeugung, weil mir täglich Beweise für die Beliebtheit der Sendung widerfahren ( immer häufiger wird beispielsweise die Formulierung „Kultsendung“ gebraucht, immer öfter BIWAK als „Insel“ in der Fülle des Mittelmaßes bezeichnet).

Wer BIWAK dennoch als eine möglichst billig gemachte, deutlich schlechter werdende Sendung einordnet, der irrt, aus welchen Gründen auch immer.

Ich bin ausreichend sensibel für Kritik. Gäbe es genug Einwendungen, würde ich postwendend mich und die Sendung in Frage stellen. Diese Empfindlichkeit gegenüber Kritik ist auch bei  ausgeprägtem journalistischem Selbstbewußtsein nichts Ungewöhnliches, vielleicht sogar ein Schlüssel zum Erfolg.

Aber es gibt sie nicht, diese kritischen Stimmen - außer aus dem Kreis der LFH-Leitung.

Was ist der Grund? Den können nur die Kritiker selbst wissen, mit der Qualität der Sendung jedenfalls kann es nichts zu tun haben.

Vielleicht mit mir?

Aber auch das wäre mir unverständlich.

Es gibt seit Jahren zwischen dem LFH und mir ein Vertrauensverhältnis, zum beiderseitigen Gewinn.

Ich bin dem LFH treu ergeben gewesen, habe voll Überzeugung seine Aufgaben zu meinen eigenen gemacht, der „Sächsische Bezug“ ist für mich nie Fessel, sondern immer geradezu Bedürfnis gewesen. Für mich ist Lokaljournalismus weder Sprungbrett noch Zeichen für Abstieg, sondern einer der befriedigendsten Bereiche journalistischer Betätigung. Ich habe voll Überzeugung immer und überall die öffentlich-rechtlichen Belange vertreten, und ich habe all meine Kraft, meine Erfahrung und meine Begeisterungsfähigkeit in meine Arbeit gelegt.

Natürlich hatte ich auch meine Vorteile davon - ein freies Arbeiten zu guten Bedingungen, ich hatte eine eigene Sendung, die ich nach freiem Ermessen gestalten konnte.

Wir waren uns nichts schuldig geblieben, ich nicht und das LFH auch nicht.

Dieses ausgewogene Verhältnis leidet jetzt aber zunehmend unter dem Argwohn, mit welchem meine Arbeit beobachtet wird, und einem Reglementierungsbedürfnis, das meine Möglichkeiten begrenzt und der Sendung mit Sicherheit nicht nützen wird.

Liegt es am Geld?

BIWAK verursacht durchschnittliche Kosten, ist aber eine überdurchschnittlich gute Sendung. Wo also liegt das Problem? Wer hat da aus welchen Gründen Bauchschmerzen?

Ich produziere nicht weniger Beiträge als vorher, aber auch nicht mehr.

BIWAK ist keine Nachrichtensendung, ich mache  so oft wie möglich Erlebnisfernsehen.

Wenn wir in den schönsten Landschaften Europas (Dolomiten beispielsweise) waren, wenn wir uns 13 Stunden lang bei glühender Hitze nach oben quälten, wenn ich mein Leben riskiert hab, nur um bei den Dreharbeiten dicht dabei zu sein (das widerfuhr mir sowohl am Großglockner als auch am Ortler), dann sind Herz und Kassetten so voll, da erlaube ich mir auch schon mal nur 2 Beiträge in einer Sendung, umsomehr, als ich die Bedürfnisse der Bergfreunde gerade nach solchen Beiträgen kenne.

 

Biwak trägt, immer mit sächsischem Bezug, mit den Amateurbeiträgen trotz lokal ausgerichtetem Budget die große weite Welt in unser Programm. Sie bedeuten eine wirkliche Innovation, etwas Neues, Zuschauerverbundenes, das es sonst kaum gibt im Fernsehen. Ich bin auf diese Rubrik sehr stolz. Dennoch bleibe ich sogar deutlich unter den genehmigten 6 Minuten pro Sendung, weil ich weiß, daß diese Beiträge ganz besonders Objekt des Argwohns sind und es bei dieser Betrachtungsweise kaum möglich sein wird, ihre exklusive Bedeutung zu vermitteln. Ich will nicht verhehlen, daß mich hier die Geringschätzung am meisten schmerzt.

 

Mit W.D.Jacobi verband mich, glaubte ich, eine ausgewogene, verständnisvolle Zusammenarbeit. Das Vertrauen in meine Erfahrung hielte ihn davon ab, wegen jeder Geschmacksfrage zu intervenieren. Nur bei wesentlichen Anlässen, und die hat es zwar selten, aber gelegentlich  doch schon mal gegeben, äußerte er Einwände. Ein sehr angenehmes Verhältnis.

Wenn allerdings Wodi die geplante neue Regelung zur Anzahl der Beiträge überzeugt mit vertritt, dann wäre mir schon ein Hinweis, ein Gespräch aus gegebenem Anlaß lieber gewesen als jetzt, aus dem Schweigen heraus, diese Reglementierung, die meine Entscheidungsfreiheit weiter beeinträchtigt.

  

Es ist mir bisher nicht gelungen und es wird mir vermutlich auch weiterhin nicht gelingen, den erheblichen Wert eines Archivs bei der journalistischen Arbeit so überzeugend darzustellen, daß die vertragliche Klausel wenigstens gemildert wird.

Ich laufe jetzt Gefahr, in jeder Sendung stereotyp 3 Beiträge unterbringen zu müssen.

Ich denke sorgenvoll darüber nach, was die nächste Reglementierung betreffen könnte - die Länge von Gesprächen etwa oder  die Anzahl von Musikmontagen usw.

 

Ich hab natürlich ausreichend Lebenserfahrung, um zu wissen, wie existenzgefährdend  es ist, Leitungsvorstellungen zu widersprechen.

Eben diese Erfahrung lehrt aber auch, daß durch schweigende Duldung weder das Produkt noch der Produzent etwas gewinnt.

Fakt ist - ehe ich ein schlechteres BIWAK mache, mache ich lieber gar kein BIWAK . 

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